Foto: Maximilian König
“Weniger Kulturamt, mehr Berghain!”
Als FRIEDERIKE BERNHARDT arbeitet die Bühnenmusikerin und Komponistin an den großen Theaterhäusern im deutschsprachigen Raum, als Moritz Fasbender bringt sie gerade ihr erstes Album „13RABBITS“ heraus. Sie ist eine Künstlerin, die die Provokation liebt – und seit Anfang des Jahres bringt sie den Punk auch ins HIDALGO Kollektiv. Ein Gespräch über multiple Persönlichkeiten, die Emanzipation der ostdeutschen Frauen und das HIDALGO Kollektiv auf Marsmission
Interview: Elisabeth Pilhofer
Friederike, wer ist Moritz Fasbender?
Das bin ich. Moritz Fasbender ist einer meiner Alter Egos. So nenne ich mich schon lange im Internet. Und irgendwann hat eine mir nahestehende Person gesagt: Nenn dich doch auch so, wenn du Klavier spielst. Das fand ich eine super Idee. Moritz Fasbender ist für die Klaviermusik zuständig.
Welche Alter Egos besitzt du neben Moritz Fasbender?
Einige, aber vor allem zwei: Geza Cotard, eine totale Trash-Maus, und Prof. Dr. Brigitte Emmersdorfer. Sie ist die Schlauste von allen, weiß alles, ist aber extrem frigide und bei allem, was sie macht, total leidenschaftslos.
Interessant, in welchem Fach hat sie denn promoviert?
In Humanbiologie. Sie hat erst Molekularbiologie und dann Humanbiologie studiert, aber auch Barockflöte in Oslo. Promoviert hat sie über die Dysfunktion osmotischer Prozesse westeuropäischer Pflanzen unter Einfluss elektroakustischer Musik.
Foto: Marc Fischer
Alles klar … und was hat es mit diesen Persönlichkeiten auf sich?
Das hat mich komischerweise noch niemand gefragt. Alle nehmen das so als gegeben hin.
Magst du es uns verraten?
Ich habe einfach schon immer mit meinen verschiedenen Persönlichkeiten gespielt. Mit drei saß ich im Kinderzimmer und hab mich in verschiedene Rollen auf alle Kuscheltiere aufgeteilt. Heute mach ich das auf der Bühne. Ich lebe damit einerseits meinen Spieltrieb aus. Andererseits übersetze ich damit auch meine Unfähigkeit, mich auf nur eine Sache zu konzentrieren. Ich leide unter ADHS im Endzustand. (lacht)
Wann bist du Friederike und ganz du selbst?
Wenn keine Bühne in der Nähe ist. Die Alter Egos sind Kunstfiguren.
Sind diese verschiedenen Kunstfiguren nicht verwirrend für das Publikum?
Ich glaube nicht, ich mache ja so viele unterschiedliche Sachen. Das bekäme ich sonst auch gar nicht unter einen Hut oder unter eine Marke. Nur ein Agent hat mir mal gesagt, dass es vielleicht kontraproduktiv sein könne, wenn ich einen Männernamen benutze. Weil ja jetzt bevorzugt Frauen gefördert würden. Aber das interessiert mich nicht. Es geht mir um die Mucke. Ich nehme auch keine Einladungen für Frauen-Jazz-Festivals an.
Du beschäftigst dich nicht mit weiblicher Emanzipation?
Das geht mir am Arsch vorbei. Das liegt aber auch an meiner ostdeutschen Herkunft: Diese Problematik kennen wir einfach nicht. Klar sehe ich, dass Frauen heute noch hier und da unterrepräsentiert sind. Aber ich finde, dass das überthematisiert wird. Es wird nichts entspannen, wenn wir eine Ungleichheit immer betonen. Mir ist aber auch bewusst, dass das global gesehen eine elitäre Ich-hab-Glück-gehabt-Haltung ist.
Gerade ist deine erste EP „RABBITS“ bei Sony und dein Album “13RABBITS” bei Edition DUR erschienen. Wie bist du beim Komponieren vorgegangen?
Zunächst bin ich von verschiedenen Stimmungen ausgegangen. Das mache ich immer, wenn ich für mich, also aus freien Stücken, schreibe. Die Grundlage eines Stücks ist dann fast immer eine Atmosphäre, selten eine Melodie.
Unterscheidet sich das von deiner Arbeitsweise bei Theaterstücken?
Ja, denn da beziehe ich mich direkt auf Texte, die Bühne oder die Energie der Leute. Ich gehe auf ein Bühnenbild ein, auf einen Regisseur oder einen schreienden Schauspieler. Dazu improvisiere ich am Synthesizer oder am Klavier. Meist setze ich dann etwas auf, was konträr zu dem ist, was das Publikum sehen kann. Ich ergänze das Bühnengeschehen. Ich setze ihm etwas entgegen.
Dieses Konträre und Entgegengesetzte bringst du auch ins HIDALGO Kollektiv ein. Du hast gesagt, du möchtest mehr Punk einbringen, was meinst du damit?
(lacht) Naja, im HIDALGO Kollektiv ist alles wahnsinnig gut strukturiert, die Arbeitsmoral ist vorbildlich. Was ich sagen will: Im Moment sind wir noch ein ziemlich braver Haufen. Da habe ich schon manchmal Lust, den Stöpsel zu ziehen. Einfach mal einen heben gehen und die Dinge beim Whisky besprechen und nicht morgens um elf. Außerdem müssen wir das Unerwartbare einkalkulieren – das sehe ich als meine Aufgabe. Weniger Kulturamt, mehr Berghain!
Was erhoffst du dir von drei Jahren HIDALGO Kollektiv?
Das hier eine extrem anerkannte, überinternational wahrnehmbare Künstlerfamilie heranwächst.
Überinternational?
In Zeiten von Marsmissionen darf man schon auch mal überinternational denken.