Foto: Urban Ruth
“Musik ist mir immer noch unbegreiflich”
Der Pianist, Dirigent und Komponist GREGOR A. MAYRHOFER gestaltet diese Festivalsaison zum ersten Mal als Teil der Künstlerischen Leitung. Uns erklärt er, warum Musik für ihn die größte aller Künste ist, warum er keine Angst vor KI hat und warum wir beim HIDALGO Risiken eingehen müssen.
Interview: Philipp Nowotny
Gregor, was bedeutet dir Musik?
Für mich ist Musik das Spannendste, was der Mensch geschaffen hat. Sie ist so großartig unnatürlich, denn sie hat keinen konkreten Nutzen. Man weiß nicht einmal genau, woher sie kommt. Aus dem Paarungsverhalten unserer Vorfahren? Haben Sippen mit Musik ihre Zugehörigkeit ausgedrückt? Musik ist aber auch eine Form des Reflektierens über die Welt und des Fühlens in der Welt.
Nichts berührt uns so sehr wie Musik, oder?
In mir hat sie Dinge ausgelöst, die ich aus keinem anderen Kontext kenne, seien es Sport, Gesellschaftsspiele oder auch Theaterbesuche. Was dabei passiert, ist mir immer noch unbegreiflich: Du sitzt da, hörst etwas, und plötzlich bist du unglaublich bewegt, zu Tränen gerührt, voll Erschütterung und Trauer, voll Erfüllung und Zuversicht, voll Energie und Tatendrang. Man kann es nicht erklären. Musik schafft einen Zugang in unser Wesen, der immer noch geheimnisvoll ist.
Suchst du in deiner Arbeit als Pianist, Dirigent und Komponist nach solch berührenden Momenten?
In einem weiteren Sinne. Berührung kann für mich emotional sein, aber auch intellektuell. Du kannst zum Beispiel auch berührt sein von einer anderen Denkstruktur. Musik ist für mich wie eine Quantenphysik der Emotionen: Sie öffnet plötzlich einen wahnsinnig spannenden und manchmal kaum begreiflichen Kosmos, in dem Wahrnehmung, Denken und Fühlen verschmelzen.
Im Konzert kommt dann noch hinzu, dass wir Musik gemeinsam erleben.
Wir werden gemeinsam Teil der Musik, das ist auch für mich besonders erfüllend. Deshalb bin ich auch zuversichtlich, dass meine Profession nicht durch Künstliche Intelligenz ersetzt wird: Nichts berührt so, wie mit Menschen in einem Raum zu sein, die in genau diesem Moment Musik und Kunst erschaffen.
Was erhoffst du dir von deiner ersten Festivalsaison beim HIDALGO?
Ich wünsche mir Spannungsfelder, in denen sich Musik und andere Kunstformen verbinden und im richtigen Moment kontrastierend aufeinanderstoßen. Ich selbst liebe auch Konzerte, bei denen es nur um die Musik geht, bei der nichts davon ablenkt. Aber beim HIDALGO geht es uns darum, unterschiedliche Ebenen zusammenzufügen und dadurch ein noch größeres Erlebnis zu schaffen.
Was reizt dich daran?
Tatsächlich diese zwei Richtungen: das Verbindende und das Kontrastierende. Im HIDALGO Kollektiv haben wir einen Pool spannender Spezialist*innen – wir können Musik mit Choreografie, neu geschriebenen Texten, aber auch zum Beispiel Kulinarik zusammenbringen. Gleichzeitig sind das alles Leute, die anders denken als ich, also auch bei mir andere Denkrichtungen aufmachen. Das kann mich überraschen und wird hoffentlich auch unser Publikum überraschen.
Künstlerische Experimente bergen auch das Risiko, dass es nicht klappt, oder?
Das Risiko muss Teil des Kalküls sein. Als Künstler*in musst du dich zwar so gut es geht vorbereiten. Aber wenn du alles planst und festlegst, begrenzt du dich, und dann kann es nie durch die Decke gehen.