„Zu alten Texten muss man eine Haltung finden“

Die Künstlerin Fee ist nicht nur eine große Stimme des deutschen Poetry Slams – sie studiert auch klassischen Gesang in Berlin. Für den HIDALGO schlägt sie eine Brücke zwischen Hoch- und Subkultur

 

HIDALGO: Fee, was hat Slam Poetry mit klassischen Liedern zu tun?

Fee Brembeck: Ich sehe einige Parallelen. Im Grunde genommen ist Slam Poetry die moderne Form der romantischen Gedichte, die im Kunstlied vertont wurden. Nur dass heute formal viel mehr möglich ist, wir achten nicht so sehr auf Reim-Schemata. Vorrangig geht es bei uns mehr um den Inhalt. Aber die Themen sind teilweise dieselben.

Inwiefern betreffen uns Lieder aus dem 19. Jahrhundert heute?

Das Thema Geschlechterrollen scheint den Menschen schon vor 200 Jahren unglaublich wichtig gewesen zu sein, das Selbstbild des Mannes, Beziehungsfragen. Mich interessiert, was sich seitdem verändert hat – und was gleichgeblieben ist. Die „Dichterliebe“ zum Beispiel zeichnet ein viel weicheres, verletzlicheres Männerbild als viele heutige Magazine. Und dass – wie bei „Frauenliebe und -leben“ – ein Mann einen Text aus der Sicht einer Frau heraus schreibt, ist ja im-mer noch gang und gäbe. Daraus ergeben sich Fragen: Ist das richtig? Kann sich ein Mann in eine Frau hineinversetzen? Und wenn ja, wie weit darf er gehen und ab wann wird es anmaßend?

Manche Sänger und vor allem Sängerinnen weigern sich heute, „Frauenliebe und -leben“ aufzuführen. Du nicht, warum?

Wenn man mit so alten Texten zu tun hat, muss man eine Haltung dazu finden. Eine kann sein, die Lieder nicht zu singen. Ich selbst finde das Frauenbild in diesem Zyklus aber nicht unkomplex. Diese liebende, sich aufopfernde, total in ihrer Mutterolle aufgehende und dem Mann unterordnende Frau, da sage ich als Feministin: Geht gar nicht! Gleichzeitig kann ich mich da sehr wohl ein-fühlen, wenn ich den Zyklus singe: Das Gefühl von Verliebtheit, jemanden anzuhimmeln und sich seiner Zartheit und seinen Gefühlen hinzugeben, das ist natürlich aktuell. Unabhängig vom Geschlecht.

Fee Brembeck ist preisgekrönte Slam-Poetin, kämpft wortgewaltig gegen Sexismus und hat das Konzept für SONG & SLAM mitentwickelt.

Text: Philipp Nowotny – Foto: Maximilian Riemer, Sophie Wanninger