Foto: Lisa Notzke

 

“Das HIDALGO Kollektiv ist ein Netzwerk-Katalysator”

Im HIDALGO Kollektiv sollen schöne Künste und moderne Technologie in spartenübergreifende Werke münden, die uns alle überraschen – idealerweise. Damit das gelingt, organisiert Kollektiv-Projektleiterin ELISABETH PILHOFER ein ganzjähriges Kreativ- und Workshop-Programm. Im Interview erklärt sie uns, wer ins Kollektiv passt, wie Konflikte gelöst werden und warum eine Woche im Grünen tatsächlich kreative Arbeit ist.

Interview: Philipp Nowotny

 

Liz, mal ganz ehrlich und unter uns: Mit Künstler*innen und ihren Egos zu arbeiten kann schnell anstrengend werden, oder?

(Lacht.) Nein, nur ganz vereinzelt. Man muss sich einfach aufeinander einspielen.

Du organisierst unser HIDALGO Kollektiv und bist hautnah am kreativen Prozess – braucht es Reibung, damit Funken sprühen?

Manchmal, aber ich selbst mag Harmonie ganz gerne.

Knapp erklärt: Was ist das HIDALGO Kollektiv?

Nüchtern gesagt: Eine Gruppe aus Künstler*innen und Wissenschaftler*innen verschiedener Disziplinen, die sich für drei Jahre verpflichten, gut miteinander zu arbeiten.

Und nicht nüchtern gesagt?

Für mich persönlich ist es eines meiner Herzensprojekte beim HIDALGO. Wo junge, motivierte Leute zusammenkommen, die eine Leidenschaft haben.

Dreimal im Jahr gehen die Kollektiv-Mitglieder in gemeinsame Workshop-Phasen.

Das ist die Basis für alles andere: Wir fahren immer für fünf Tage an verlassene Orte – zum Beispiel an einen See in Brandenburg, in die fränkische Provinz, in die oberbayerischen Berge oder in ein Südtiroler Tal. Der Schwerpunkt liegt nicht darauf, dass dort neue Projekte entstehen. Vielmehr sollen alle die Arbeitsweisen der anderen kennenlernen und ihre eigene vorstellen.

Wozu ist das nötig?

Weil bei spartenübergreifenden Projekten oft ein Großteil der Zeit mit Abstimmungsproblemen oder Missverständnissen verschwendet wird. Im Kollektiv erfahren die Mitglieder, warum die Filmemacherin genau dann den Schnittplan benötigt oder warum der Tänzer diese bestimmte Zeit auf der Bühne braucht. Wir entwickeln ein gegenseitiges Verständnis, damit bei spartenübergreifenden Projekten alle, ohne mit der Wimper zu zucken, gemeinsam ins Boot springen und losfahren können.

Neben dem Fachverständnis spielt auch Zwischenmenschliches eine Rolle bei kreativer Arbeit, oder?

Ja, die Leute müssen sich gut genug kennen und sich vertrauen. In jeder Zusammenarbeit kann es zu unangenehmen Konfliktsituationen kommen. Man muss dann die kritischen Dinge ansprechen können – und danach geht es wieder weiter. In den Arbeitsphasen lernen alle, wie die anderen ticken.

Klingt gut in der Theorie, wie schaut das in der Praxis aus?

Das hat sich bislang bewährt. (lacht)

Ihr fahrt also an einen See oder in die Berge – sprühen da tatsächlich die kreativen Funken oder freuen sich einfach alle, mal im Grünen zu sein?

Es hat tatsächlich ein bisschen was von beidem. Wir kommen an und checken erstmal ab, wer ein Einzelzimmer braucht und wer gut in Zwei-, Drei- oder Vierbettzimmer passt. Wir kaufen ein und kochen zusammen. Es gibt Zeiten, wo sich kleine Grüppchen zusammenfinden und gemeinsam Musik machen. Und es gibt Zeiten, wo wir Workshops abhalten oder externe Dozent*innen den Künstler*innen Input geben.

Was ist deine Aufgabe dabei?

Ich denke an die kleinen und großen Sachen im Hintergrund, damit die gemeinsamen Tage so smooth wie möglich ablaufen. Ich organisiere die Anfahrten und die passenden Unterkünfte, beauftrage die Dozent*innen, kommuniziere zwischen den Arbeitsphasen mit allen Kollektiv-Mitgliedern. Aktuell haben wir wieder eine Bewerbungsphase für neue Mitglieder – da koordiniere ich den Ablauf.

Oft sieht man nicht, was für ein Aufwand hinter solchen Projekten steckt, auch bei unseren Konzertveranstaltungen ist das ja ähnlich. Das HIDALGO Kollektiv wurde fast ein Jahr lang vorbereitet – wie viel Gedanken habt ihr euch darüber gemacht, wie die Leute zusammenpassen?

Das war ein wichtiger Punkt. Uns ist bei der Auswahl wichtig, dass es für beide Seiten passt. Tom, der künstlerische Leiter des Kollektivs, ich und jetzt auch unsere bestehenden Mitglieder müssen bei Neuzugängen ein positives Gefühl haben und überzeugt sein. Aber auch die neuen Mitglieder müssen Bock drauf haben. Das braucht ein gewisses Commitment, wir hocken schließlich mindesten 15 Tage im Jahr aufeinander. Dafür kriegt man aber auch unglaublich viel zurück.

Worauf freust du dich in nächster Zeit besonders?

Gerade bin ich super neugierig auf den Austausch mit den Programmierer*innen, die neu ins Kollektiv kommen werden. Alle werden lernen müssen – ob Informatiker*innen oder Musiker*innen –, ihr Nerd-Wissen auch solchen Menschen zu erklären, die sonst kaum Berührungspunkte damit haben.

Was wünscht du dir langfristig fürs Kollektiv?

Dass in den drei gemeinsamen Jahren mal alle an einer einzigen großen Produktion zusammenarbeiten. Dass auch darüber hinaus Kontakte entstehen, die halten. Dass ein Netzwerk entsteht, das interdisziplinär wächst. Das HIDALGO Kollektiv ist ein Netzwerk-Katalysator.