Foto: Lisa Notzke
“Ich bin kein Opern-Groupie”
Mit ihrem Cello ist ANNE KECKEIS permanent auf Achse, als Solistin und in Ensembles. Außerdem inszeniert sie Konzertformate – auch im HIDALGO Kollektiv, denn davon ist sie Gründungsmitglied, und als neue dramaturgische Direktorin des HIDALGO. Uns verrät Anne, was sie gegen klassisches Musiktheater hat, wieso Konzerte körperlich sein müssen und warum ihr Cello ein Ferrari ist
Interview: Elisabeth Pilhofer
Anne, du bist als Cellistin sehr erfolgreich – warum konzentrierst du dich nicht auf dieses Talent? Warum denkst du dir auch noch als Konzertdesignerin Veranstaltungsformate aus?
Weil ich es spannend finde, Dinge zu etwas Größerem zusammenzufügen. Aber nicht, dass du mich falsch verstehst: Ich liebe Musik! Ich finde darin so viel, was mich erfüllt. Aber da ist noch etwas anderes in mir drin. Ich habe schon als Kind viel Theater gespielt – und schon damals versucht, das Theater mit Musik zu verbinden.
Du magst also Oper?
Nein, ich bin definitiv kein Opern-Groupie. Die Musik ist toll und ich bewundere die Stimmen und die Kunstfertigkeit, aber selbst für mich als Konzertdesignerin ist Oper als Gesamtspektakel oft nicht greifbar.
Warum nicht?
Was genau mein Problem ist, kann ich gar nicht generalisieren. Oft ist mir das zu artifiziell. Manchmal ist die schauspielerische Darbietung schwach, dadurch nicht ehrlich und eigentlich überflüssig. In solchen Momenten wirkt Oper auf mich steif – eben wie eine alte und schwer zugängliche Kunstform.
Wie willst du das Publikum in deinen Konzerten besser ansprechen?
Indem ich das konventionelle Format aufbreche und die Musik anders verpacke. Ich binde zum Beispiel Tanz mit ein. Für mich ist das Körperliche viel konkreter und zugänglicher. Da begegnet ein Mensch einem Menschen.
Und was passiert dann idealerweise?
Das Publikum und die Ausführenden kommen sich näher und werden sich der Möglichkeit bewusst, sich gegenseitig zu beeinflussen. Ein gemütliches Rezipiententum wird vom gemeinsamen Erlebnis abgelöst. Das erfordert natürlich einen relativ intimen Rahmen.
Worin siehst du deine Rolle im HIDALGO Kollektiv?
Ich glaube, ich bin für die Begeisterung zuständig. Das ist mein Naturell: dass ich mich ein bisschen extremer als alle anderen über Dinge freue.
Was bringt dich wieder zur Ruhe?
Ich bin der schlechteste Mensch zum Chillen. Entweder ich schlafe oder ich mache was. Null oder Hundert, dazwischen geht bei mir nicht so viel. Was anstrengend sein kann.
Bist du eine Instrumentalistin, die jeden Tag stundenlang manisch auf dem Cello übt?
Ich greife nicht in jeder freien Minute inspiriert zum Cello. Dafür gibt es zu viele andere Dinge, die Spaß machen. Das Cello ist in gewisser Weise mein Arbeitspartner.
Das klingt aber nicht sehr romantisch.
Ich arbeite und übe natürlich sehr gerne mit meinem Cello. Es ist ein wunderbares Stück Holz, weit mehr als ein einfacher Gebrauchsgegenstand. Ich muss mich gut darum kümmern. Den Bogen zum Beispiel pflege ich regelmäßig mit Kolophonium, also Bogenharz. Dann rauschen die Pferdehaare wieder mit ordentlich Grip über die Saiten. Und ab und zu kommt das Cello zum Durchchecken in die Werkstatt.
Wie ein Auto?
Ja. (lacht) Mein Cello ist aber kein Ford Fiesta. Schon eher ein Ferrari.
Zurück zum HIDALGO Kollektiv: Was erhoffst du dir von den nächsten Jahren der Zusammenarbeit?
Dass ich noch mehr neue, verrückte Leute treffe. Und dass es hier weiterhin kein Richtig oder Falsch gibt, egal was für einen Humbug man sich ausdenkt. Es geht darum, Neues zu erfahren, ganz ohne Bewertung. Für mich steht HIDALGO genau dafür: Dinge erfahrbar zu machen. Es ist großartig, dass es diesen besonderen Raum gibt.